Zeugnis der Tahmeena Faryal, Repraesentantin von RAWA

Vor dem

Sub-Kommittee des US Hauses Internationaler
Operationen und Menschenrechte

Bei der Anhoerung

Das Afghanische Volk gegen die Taliban: Der Kampf um die Freiheit wird intensiver


31. Oktober 2001

Der Bekanntheitsgrad der Grundlagen der Situations Afghanistans ist in den letzten Wochen in den USA wie auch weltweit angestiegen. Nach jahrelanger Vernachlaessigung wird der verzweifelten Lage des afghanischen Volkes nun die dringend benoetigte Aufmerksamkeit zuteil. Den Stimmen des Volkes werden jedoch kaum zugehoert, und es steht zu befuerchten, dass diese Stimen von den grauenvollen Kriegsereignissen und globalen geopolitischen Angelegenheiten uebertoent werden.

Die im Jahre 1977 gegruendete Revolutionaere Vereinigung der Frauen Afghanistans (RAWA) ist die aelteste Organisation fuer Menschenrechte, fuer Gkeichberechtigung der Frauen und Politik in Afghanistan. RAWA’s Basis befindet sich Afghanistan und im Nachbarland Pakistan; RAWA ist eine unabhaengige, ausschliesslich aus freiwilligen Helfern zusammengesetzte, anti-gewalttaetige Organisation, die sich fuer multilaterale Abruestung und die Bildung einer sekulaeren, demokratischen Regierung einsetzt, so dass Frauen wieder voll am oeffentlichen Leben teilhaben koennen.

Zur Zeit leistet RAWA in beiden Laendern Fluechtlingshilfe, erteilt im Untergrund medizinische Versorgung sowie Bildungprogramme, unterstuetzt einkommensfoerdernde Projekte und andere Initiativen. RAWA-Mitglieder in Afghanistan sind dortgeblieben, um unsere Arbeit durch viele Krisen der Vergangenheit hindurch weiterzufuehren, und wir bleiben auch heute in Afghanistan praesent.

RAWA’s Arbeit hat es weiterhin zum Ziel, die Stimmen unseres getretenen Volkes hoeren zu lassen, insbesondere die Stimmen der Frauen, und RAWA strebt danach, Frauen und Maennern Kraft zu geben und sie nicht vergessen zu lassen, das ihnen - dass uns allen - Menschenrechte zustehen, dass uns Freiheit zusteht und dass wir uns auf den Tag freuen, an dem die Gewehre und Kanonen aufhoeren zu schiessen und wir mit dem Wiederaufbau beginnen koennen.

Die momentane humanitere Lage ist ernst, und taeglich wird sie durch kontinuierliche Gefechte verschlimmert, durch die Bombenangriffe der USA und durch die Zerstoereungen, durch die hierdurch erzeugte Angst. Der Winter kommt, und hungernde Menschen muessen sich aus der Not heraus, situationsabhaengig, wechselnde Verbuendete suchen.

Die politische Lage wird durch das, was viele afghanische Menschen als US-Aggression gegen unser Land und unsere Zivilisten empfinden, obgleich wir die Moeglichkeit eines Sturzes der Taliban willkommen heissen, sogar jetzt noch verschlimmert. Ausserdem hat die kontinuierliche und zunehmende auslaendische Unterstuetzung fuer die Northern Alliance unser Volk in grosse Angst davor gestuerzt, dass wir noch einmal das ertragen muessen, was wir waehrend der grauenvollen Jahre der Jehadi ­"Emirate" in den Neunziger Jahren zu durchleiden hatten.

Ein Fluechtling aus Peshawar drueckte es am 25. September mit folgenden Worten aus: Viele, viele Leute sagen, "Alle, die Taliban, und die Opposition der Taliban, sind Verbrecher, und wir wollen nicht, dass sie Afghanistan regieren. In den vergangenen 20 Jahren haben sie dem Volk nichts als Gewehrkugeln anstatt Essen gegeben, und Graeber anstelle von Haeusern".

Das afghanische Volk wuenscht sich das, was sich jedes Volk auf dieser Erde wuenschen wuerde - das Ende der boesartigen Gewalt und die Bildung einer grundlegenden Stabilitaet, so dass wir eine zivile Gesellschaft wiederaufbauen koennen. Was jetzt geschieht, was seit Jahrzehnten geschah, ist NICHT unsere Religion, unsere Kultur , unsere Tradition - das ist ein Missbrauch des Islam und aller anderen friedlichen Religionen, und eine Gewaltanwendung gegen unser Volk, das von Fanatikern als Geisel gehalten wurde. Wie es ein anderer, vor langer Zeit aus Afghanistan geflohener Fluechtling ausdrueckte :"Das afghanische Volk wuenscht sich Frieden, Sicherheit und die Moeglichkeit zum Wiederaufbau, und zwar unter einer Regierung, die mit rechtmaesigen Wahlen an die Macht gekommen ist, wo die Menschen waehlen koennen, ohne dass ihnen jemand das Gewehr an den Kopf haelt".

RAWA betrachtet den fruehren Koenig, Zahir Shah, als eine moegliche unmonarchische Zentralfigur, um die herum eine Uebergangsregierung gebildet werden koennte. Wenn er jedoch die Szene betritt und sich auf die Northern Alliance und die sogenannten "gemaessigten" Taliban stuetzt und verlaesst, dann wird er nicht nur seine Reputation beim afghanischen Volk verlieren, sondern er wird auch die Stabilitaet und die Gueltigkeit jeglicher Struktur, die er formt, untergraben.

So viele derjenigen, die mit dem zusammenhaengen, das sich als Northern Alliance bezeichnet, haben das Blut unseres geliebten Volkes an ihren Haenden kleben, genauso wie natuerlich auch die Taliban. Ihre staendigen Greueltaten sind von unabhaengigen Menschenrechtsorganisationen gruendlich und umfassend dokumentiert worden, von Organisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch und anderen mehr. Die Taliban und Northern Alliance haben bewiesen, dass sie als Regierungskraefte inkompetent und korrupt sind . Unser Volk hat die Jahre nach dem Zusammenbruch des sowietischen Marionettenregimes von Najib nicht vergessen; das waren die schrecklichsten Jahre des Terrorismus und der Unmoral - und wir werden auch die Zeit nicht vergessen, in der die Jehadis selber die servilen Diener des Abdullah Ezam und Osama bin Laden waren, wie es die Taliban heute sind.

Momentan befuerchten RAWA und viele andere afghanischen Menschen gemeinsam mit RAWA, dass die "Northern Alliance"-Gruppen nun auf der Lauer liegen, dass sie nur darauf warten, die Gewehre der USA nach Kabul zu bringen und westliche Hilfe zu erlangen, um ihr zweites "Emirat" aufzubauen.

Es steht noch aus, dass sie den glaubhaften Beweis dafuer antreten oder auch nur den allerkleinsten Grund dafuer liefern, dass sie ihre Greueltaten aus der Vergangenheit nicht wiederholen werden.

Amnesty International hat in einem Bericht aus dem Jahre 1995 ueber die Mujaheddin-Kriege, die dem Abzug der sowietischen Truppen folgten, darueber berichtet, wie unbewaffnete Frauen von unerwarteten und gezielten Artillerieangriffen auf ihre Haeuser getoetet wurden...sie wurden in die Luft gesprengt oder von Raketen und Gewehrkugeln getroffen, waehrend sie auf der Strasse gingen, waehrend sie an Bushaltestellen warteten, waehrend sie ihrer Hausarbeit nachgingen, oder als sie in Moscheen, Schulen und Krankenhaeusern Schutz suchten. Diese Angriffe wurden damit begruendet, dass es sich um Kaempfe zwischen rivalisierenden Gruppen handelte; die Natur der Angriffe jedoch, insbesondere die auf Wohngebaeude, enthuellte eine gezielte Politik des Terrors durch die Mujaheddin gegen das afghanische Volk.

Ausserdem haben Mujaheddin-Kraefte, ausgebildet und bewaffnet von der US-Regierung, und jetzt Teil der Taliban und der Norther Alliance, einen brutalen Krieg gegen Frauen gefuehrt; ihre Waffen waren ausserdem Vergewaltigungen, Folterungen, Verschleppungen und Zwangsheiraten. Viele Frauen haben waehrend dieser Zeit den Selbstmord als einzigen Ausweg gewaehlt. Wenn man die Vergangenheit dieser Terroristen betrachtet, sehen wir keine Moeglichkeit, dass irgendwelche von diesen Jehadis sich aendern werden.

Aus diesen Gruenden sollte jeglicher US-"Rome Prozess" oder jegliche multilaterale Initiative, sowie eine von der breiten Bevoelkerung getragene Regierung, die Taliban und andere kriminelle Jehadi-Fraktionen von der politischen Machtausuebung ausschliessen, bis eine vorgeschlagene oder kandidierende Person von allen Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen freigesprochen wurde . Anderenfalls wird das Volk wieder in die Hoelle zurueckgestossen werden, in der sich unser Land von 1992 bis 1996 egfand, unter denjenigen Elementen, die jetzt mit der Northern Alliance involviert sind und die immer noch unter den Taliban und anderen Fraktionen zu finden sind.

Im Namen von mehr als der Haelfte der Bevoelkerung Afghanistans besteht RAWA weiterhin darauf, dass jegliche Loya Jirga oder jeglicher Entwicklungsprozess einer Uebergangsregierung illegitim ist, wenn nicht die Stimmen der Frauen in wichtigen, bedeutenden Aneglegenheiten vom ersten Tag an eingeschlossen und beachtet werden. Hierfuer und fuer unsere weiteren Ziele fordern wir die uneingeschraenkte Unterstuetzung der USA und anderer demokratischer, freiheitsliebender, gerechter Laender.

Selbstverstaendlich benoetigt Aghanistan substantielle Hife seitens der internationalen Gemeinschaft; Kontrolle von aussen koennen jedoch wir nicht tolerieren, und sogar hungernde Afghanen werden auslaendischer Kontrolle widerstehen. RAWA als Organisation unterstuetzt das Eingreifen von multinationalen UN- oder anderer Friedenstruppen, um die sich bekriegenden Seiten zu entwaffnen, um eine grundlegende Sicherheit zu formen und um die Buehne fuer die Bildung einer Uebergangsregierung freizumachen.

Wir wissen, dass es solch einer Uebergangsregierung an Demokratie fehlen wird, und wir bestehen ausdruecklich darauf, dass die Weltgemeinschaft unserem Volk hilft, sicherzustellen, dass eine Uebergangsregierung auch genau das bleibt: ein zeitlich begrenzter Schritt in die Richtung vollstaendig wiederhergestellter Buergerrechte, einschliesslich der Gleichberechtigung der Frauen auf allen Gebieten - und der Demokratie in einer neuen afghanischen Verfassung und Regierungsstruktur.

Unsere Befuerchtungen, begruendet auf Erfahrungen in unserer Geschichte sind, dass die Weiterfuehrung der US-Angriffe und die daraus resultierenden Todesfaelle unter Zivilisten den Taliban und der Northern Alliance Ausreden dafuer liefern koennten, den Krieg zu erklaeren, dies wird ebenfalls fumdamentalistische Kraefte unterstuetzen und zwar nicht nur bei uns, sondern weltweit, - dadurch werden nicht nur Afghanen gefaehrdet werden, sondern auch weitere Leben amerikanischer Buergern und der Buerger vieler weiterer Laender.

Nach den grauenvollen Angriffen des 11. September hier in Amerika teilen Afghanen, Amerikaner und viele andere Voelker dieser Welt die Angst , unter der Herrschaft der Angst und des Todes zu leben. Lasst uns das beste aus dieser tragischen Gemeinschaft machen: Verbindet euch mit uns bei der Foerderung von US- und internationaler Politik und von Initiativen , die folgende Ziele haben:

- Dauerhaften Frieden in unserem Land aufbauen helfen

- Die international anerkannten Menschenrechte fuer Frauen, Kinder und Maenner Afghanistans wiederherstellen zu helfen

- Den Weg fuer eine sekulaeren, von der gesamten Bevoelkerung getragene, demokratische Regierung zu ebnen, die alle willkommen heisst, die der Verbrechen gegen unser Volk unschuldig sind, und

- Unter internationaler Gesetzgebung alle Fundamentalisten und andere Terroristen der Gerechtigkeit zufuehren law.

Danke.

-Referenzen:

Women in Afghanistan: a human rights catastrophe, Amnesty International report, London, 1995. AI Index: ASA 11/03/95.

Frauen in Afghanistan: eine Menschenrechts-Katastrophe, Report von Amnesty International, London, 1995. AI Index: ASA 11/03/95 RAWA:Frauen am Rand: Dokumentation ueber Fluechtlingsfrauen und Frauen in Situationen in bewaffneten Konflikten, eine Publikation der Asian and Pacific Development Center, 2000



Aus: http://www.house.gov/international_relations/fary1031.htm




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