Ein afghanischer Flüchtling appelliert an die Weltgemeinschaft

Von RAWA, 8. August 2001

Am 8. August 2001, während RAWA Lebensmittel an Flüchtlinge im New Akora Khattak Camp verteilte, wandte sich Mohammad Akram, Sprecher der afghanischen Flüchtlinge im Camp, mit der Bitte an RAWA, seine Botschaft aufzuzeichnen und der Weltöffentlichkeit zugänglich zu machen. Er gelangte mit diesem Ersuchen an RAWA, weil niemand sonst gewillt ist, sich ihre grauenerregenden Geschichten anzuhören, keiner sich der unglücklichen Flüchtlinge annimmt, die sich mit Hunger, Krankheit, Obdachlosigkeit etc. abquälen und keiner bereit war, seine Botschaft in die Welt hinauszutragen. Nachfolgend drucken wir die Übersetzung von Auszügen aus seinem eindringlichen Appell. Das Original wurde in Pushto (afghanischer Dialekt) auf Videoband aufgezeichnet.



"Mein Name ist Mohammad Akram, und ich lebe im New Akora Camp. Ungefähr 6500 Familien leben in diesem Camp, wovon etwa 3500 Familien durch WEP (Welt-Ernährungs-Programm) registriert wurden. Im Zuge des früheren Projektes des WEP wurden eine Anzahl Familien mit Hilfsgütern versorgt, während der weitaus grösste Teil der Familien ohne jede Hilfe ihrem Schicksal überlassen wurde. Es lag in der Verantwortung von WEP, für alle diese Familien eine ununterbrochene Versorgung mit Lebensmitteln zu garantieren, statt dessen statten sie einige Familien für eine kurze Dauer mit Hilfsgütern aus; dann werden die Lieferungen gestoppt und die Verantwortung für diese Menschen wird an die Pakistanischen Behörden abgeschoben. Als Resultat dieser Politik sieht sich die Regierung von Pakistan gezwungen, die Flüchtlinge abzuschieben, da sie nicht in der Lage ist, diese zu versorgen.

In Afghanistan wird verbreitet, dass WEP die Flüchtlinge mit Lebensmitteln versorgt, doch diese Unterstützung ist sehr begrenzt, z.B. eine Dose Pflanzenöl sowie einen Sack Mehl pro Familie, und sogar diese Hilfe wird nur einmal gewährt.

Unsere Situation hat sich in den letzten 2 _ Monaten dramatisch verschlechtert, seit WEP die Hilfslieferungen eingestellt hat. Die UNO hat unter dem Deckmantel der Menschenrechte abscheuliche Taten begangen. Wir bezeichnen sie als Lügner, da die UNO es unterlassen hat, uns die Wahrheit zu erzählen. Wir warnen die UNO, dass sich schon bald schreckliche Tragödien in diesem Camp ereignen werden. Unterkünfte werden in Brand gesteckt werden, Menschen werden sich selbst verbrennen, um der Welt vor Augen zu halten, dass, während in vielen anderen Ländern Millionen von Dollars für die Forschung und das Wohlergehen von Tieren ausgegeben werden, sich keiner um die Menschen in diesem Camp schert. In Russland macht man grosses Aufhebens darum, dass die Schweine dort am aussterben sind, und in anderen Ländern werden die Affen geschützt, während diese Menschen unter solch menschenunwürdigen Bedingungen dahin vegetieren und keiner sich auch nur einen Gedanken über deren Zukunft zu machen scheint.

Wir waren im Büro des UN-Flüchtlingskommissariates und wurden selbst dort ignoriert; sie sagten uns ohne Umschweife, dass sie nichts für uns tun könnten.

Hier gibt es Menschen, die für ein Jahr oder sechs Monate Hilfsgüter erhalten haben, doch dann wurden die Lieferungen eingestellt. Die Lage in diesem Camp verschlechtert sich von Tag zu Tag dramatisch. Wir haben vier Schulen hier im Camp, eine für die Mädchen und drei für Jungs. Wir müssen diese Schulen nun schliessen, weil die SchülerInnen gezwungen sind, Rohrzucker oder Wasser zu verkaufen oder sonst etwas zu unternehmen, um sich das nötigste an Nahrung zu verschaffen, und so werden sie auch um ihr Grundrecht auf Bildung gebracht.

Die Menschen, die aus Afghanistan in dieses Camp geflohen sind, haben ihre Heimat nicht wegen Hunger oder Armut verlassen. Sie wurden wegen der anhaltenden schweren Kämpfe und der damit verbundenen ernsten Gefahr für ihr Leben gezwungen, ihre Dörfer zu verlassen. Wir sagen deutlich, dass wir nicht in der Lage sind, nach Afghanistan zurückzukehren, weil wir wissen, dass es sehr gefährlich für uns ist. Wir hörten von Fällen, bei denen die UNO die Verantwortung für die Sicherheit von Familien, die nach Afghanistan zurück gingen übernahm, und wir alle haben mitbekommen was diesen Menschen zugestossen ist. Wir akzeptieren von niemandem das Angebot, die Verantwortung für unsere Sicherheit zu übernehmen, wir werden hier bleiben und auf keinen Fall nach Afghanistan zurückkehren.

Unsere letzte Hoffnung ist es nun, dass unsere Stimme von den Völkern dieser Erde gehört wird. Vor allem richtet sie sich an die Afghanen, die im Westen leben. Wir fordern diese unsere afghanischen Landsleute auf, Gelder zu sparen, selbst von ihren Toilettenartikel-Auslagen, auch kleinste Beträge wie etwa einen Dollar, und uns ihren Beitrag zukommen zu lassen. Auf diese Weise wird es möglich sein, nicht nur dieses Camp sondern auch viele andere Camps mit diesen Spenden zu unterstützen. Die meisten unserer westlichen Brüder und Schwestern leben unter sehr guten Bedingungen, während in diesem Augenblick Tausende von Waisen, Witwen, behinderten und armen afghanischen Flüchtlingen in diesem und anderen Camps hier in Pakistan ein Leben unter härtesten Bedingungen fristen müssen.

Unsere Botschaft an unsere Landsleute ist die, das selbst die kleinste Hilfe einen Unterschied macht. Weiter fordern wir euch auf, eure Stimmen zu erheben und die Weltöffentlichkeit auf die wirkliche Situation der Afghanen aufmerksam zu machen.

An dieser Stelle möchten wir erwähnen, dass es eine Anzahl von Nichtregierungsorganisationen (NGO’s) in Pakistan gibt, die ihre eigenen persönlichen Geschäfte in den Camps verfolgen. Sie kommen hierher, machen Videos, Fotos, Interviews und betreiben Untersuchungen, doch niemals kehren sie mit konkreter Hilfe in irgendeiner Form zurück, und wenn sie irgendwelche Spenden erhalten, so würden sie diese niemals den wirklich Bedürftigen geben. Zur gleichen Zeit gibt es einige NGO’s, die sich wahrhaftig für die Unterstützung der Flüchtlinge und deren Wohlergehen stark machen. Wir appellieren an diese Organisationen, dass sie es nicht zulassen, dass die korrupten NGO’s weiterhin gegen die Menschen arbeiten und nur ihre eigenen Interessen verfolgen. Wir werfen ausserdem der BBC vor, dass sie unsere Interviews nicht ausstrahlen. Die Weltöffentlichkeit wird so lange nichts von unserer Situation erfahren, bis unsere Stimmen durch solche Interviews gehört werden, aber Radio BBC erfüllte sein Versprechen nicht, unsere Interviews zu senden.

Wir danken Ihnen für die Anteilnahme und die Hilfe und wünschen uns, dass Sie mehr Journalisten über die Situation im Camp informieren, damit sie sich ein persönliches Bild von der Lage machen wollen und hierher kommen, um zu recherchieren. Auf diese Weise hoffen wir, dass es uns gelingt, der Welt die Augen über die wahre Lage der Flüchtlinge in Pakistan zu öffnen.

Mohammad Akram

Mohammad Akram: "Wir warnen die UNO, dass sich schon bald schreckliche Tragödien in diesem Camp ereignen werden. Unterkünfte werden in Brand gesteckt werden, Menschen werden sich selbst verbrennen..."





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